Motivation, Volition und Resilienz im Kontext unternehmerischen Handelns: Ein evolutorischer Blickwinkel

Beitrag von Cord Siemon und Daniel v. Wedel

Erschienen in:

K. Hölzle, V. Tiberius, H. Surrey (Hrsg.), Perspektiven des Entrepreneurships – Unternehmerische Konzepte zwischen Theorie und Praxis, Schäffer Poeschel, 2020

Link: https://shop.schaeffer-poeschel.de/prod/perspektiven-des-entrepreneurships

Abstract

Psychologische Aspekte haben in der Entrepreneurship-Forschung seit langer Zeit eine große Bedeutung. Dabei geht es unter anderen darum, jene Eigenschaften und Motivstrukturen von Entrepreneuren (auch in der Teamzusammensetzung) zu identifizieren, die ein erfolgreiches bzw. nachhaltiges unternehmerisches Vorhaben (bspw. Start-up, Existenzgründung) gewährleisten. Während sich die sog. Traits-Forschung dabei als insgesamt wenig valide erwiesen hat, haben die Themenfelder Motiv und Motivation sich – insbesondere im Anschluss an die Arbeiten von McClelland – als wesentlich aussagekräftiger erwiesen. In jüngerer Zeit ist immer wieder zu beobachten, dass viele unternehmerische Vorhaben nicht auf den Weg gebracht werden bzw. auftretende Fehler und Krisen die Etablierung und Nachhaltigkeit solcher Vorhaben behindern. Neben der dominierenden Handlungsabsicht (Motivation) sind somit psychologische Aspekte des konkreten Handlungswillens (Volition) und der psychologischen Elastizität (Resilienz) offensichtlich bedeutsame Größen im Entrepreneurship-Bereich. Der Beitrag stellt die Grundlagen dieses Zusammenspiels als modifiziertes Rubikon-Modell vor und ordnet diese Aspekte in einen evolutorischen Kontext des unternehmerischen Lernens ein, der auf einem zugespitzten Entrepreneurship-Verständnis von Joseph-Schumpeter gründet. Das Zusammenspiel der Entwicklung von unternehmerischen Kompetenzen mit den Größen Motivation, Volition und Resilienz leisten damit einen Beitrag, unternehmerisches Wirken in einem dynamischen Wettbewerb zu beleuchten. Damit sind die sog. Dynamic Capablities maßgeblich für die Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit von Systemen, um Herausforderungen – im Anschluss an Schumpeter –  schöpferisch oder adaptiv zu beantworten.

1.      Einleitung

Die volkswirtschaftliche Bedeutung von jungen, innovativen Wachstumsunternehmen ist mittlerweile unbestritten und die Rahmenbedingungen für Existenzgründungen, die in den letzten Jahren wieder rückläufig waren, sollen weiterhin durch zahlreiche Unterstützungsleistungen, wie Finanzierungsinstrumente, Beratungen und Bürokratieabbau verbessert werden. Neben den Rahmenbedingungen sind natürlich die Gründer oder Gründerinnen – auch im Zusammenspiel als Team – selbst ein Faktor, ob der Weg in die Selbstständigkeit erfolgreich gestaltet werden kann. Neben den fachlichen Fähigkeiten und der Erfahrung werden hierbei auch immer wieder die Motive und Persönlichkeitsmerkmale der handelnden Personen thematisiert. Aktuelle Forschungen der Psychologie sehen den Entrepreneur als einen aktiven Leistungsträger mit Eigeninitiative, einem langfristigen, proaktiven Fokus und einer hohen Ausdauer, Schwierigkeiten zu überwinden (Frese 2014, S. 442). Gleichwohl werden Eigenschaftsansätze (sog. Traits-Forschung) auch kontrovers diskutiert, da sich – je nach kulturellem Kontext und zugrunde zu legenden Bewertungskritierien – nahezu beliebig viele Eigenschaften als erfolgversprechend identifizieren lassen (Saßmannshausen 2012, S. 71ff.).

Um einen geordneten Blick auf die unterschiedlichen Aspekte bezüglich Motivation und Unternehmertum oder Gründungen zu bekommen, werden im Folgenden die psychologischen Aspekte von Motiven und Motivation betrachtet. Hinzu kommen die Konzepte Resilienz und Volition, die ebenfalls eine wesentliche Rolle für eine erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit spielen. Einige der vorgenannten Eigenschaften und Anforderungen werden dabei aufgegriffen und im Kontext unternehmerischen Handelns verortet. Der Beitrag stellt die Grundlagen dieses Zusammenspiels von Motivation, Volition und Resilienz als erweitertes Rubikon-Modell vor (Kap. 2) und ordnet diese Aspekte in einen evolutorischen Kontext des unternehmerischen Lernens ein, der auf einem zugespitzten Entrepreneurship-Verständnis von Joseph-Schumpeter gründet (Kap. 3).

2.      Motivation, Volition und Resilienz

2.1.            Motivation

In den Wirtschaftswissenschaften finden sich, nicht ganz unumstritten, verschiedene psychologische Konzepte wieder, die z.T. direkt oder indirekt mit verschiedenen originären Theorien aus der Psychologie  in Verbindung stehen. Darüber hinaus existieren einige Inhalts- und Prozesstheorien, die in viele betriebswirtschaftliche Lehrbücher Eingang gefunden haben. Die Bedürfnispyramide von Maslow (Defizit- und Progressionsprinzipien) und Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg (Hygienefaktoren vs. Motivatoren) stellen die bekanntesten Inhaltstheorien dar, um Motivation im ökonomischen Kontext aus inhaltlichen Motiven heraus auszuleuchten.[2] Auf Herzbergs Unterscheidung von intrinsischer Motivation (aus den Aufgabeninhalten heraus) und extrinsischer Motivation (außerhalb der Aufgabeninhalte) gründet sich auch das bekannte Phänomen der verborgenen Kosten der Intervention durch Kontrolle und Belohnungen (Frey 1997).

Die wesentlichen Aspekte von Motivation sind die Bewertung verschiedener Zielzustände, die Auswahl eines angestrebten Zielzustandes und die Aktivierung des Verhaltens auf den angestrebten Zielzustand hin. In der psychologischen Literatur wird Motivation dabei (im Anschluss an die die Trieb- und Feldtheorie) als Kraft, aber auch als rationale Kalkulation (Bewertung der Erwartungswerte ausschließlich auf subjektiver Basis) und als „Erwartung x Wert“-Modell diskutiert (Rothermund/Eder 2011). Eine im Entrepreneurship-Kontext erwähnenswerte Besonderheit stellt dabei das Konzept der Selbstwirksamkeit nach Bandura  dar. Dabei wird thematisiert, inwieweit sich eine Person zutraut, die zur Zielerreichung erforderlichen Fähigkeiten auch wirksam einsetzen zu können, was als Wirksamkeitserwartung bezeichnet wird. Eine geringe Selbstwirksamkeit spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn Probleme und Wiederstände zu einem Motivationsdefizit führen können, wenn bspw. Wissen und Fertigkeiten fehlen oder Ängste und Selbstzweifel auftreten. Positive Selbstwirksamkeitserwartungen sind im Rahmen des Resilienzkonzeptes von Bedeutung, da sie zu den protektiven Eigenschaften gehören (siehe Kap. 2.3 und Kap. 3.2). Dabei ist zu erwähnen, dass es sich um spezifische oder generalisierte Erwartungen handeln kann, wobei vor allem die Stärke der internalen oder externalen Kontrollüberzeugung eine große Rolle spielt. Die Überzeugung, dass das eigene Leben im Wesentlichen von den eigenen Entscheidungen und Verhalten bestimmt wird, wird als generalisierte internale Kontrollüberzeugung bezeichnet und geht einher mit einer starken Handlungs-Ergebnis-Erwartung. An dieser Stelle ist jedoch festzustellen, dass diese Ansätze zwar Einblicke in die theoretischen Grundlagen der Motivation bieten, aber keine zufriedenstellenden motivationstheoretischen Erklärungen über das Zustandekommen von Handlungsentscheidungen liefern, da die zugrundeliegenden Bedürfnisse und Motive nicht betrachtet werden. (Rothermund/Eder 2011, S. 61).

Motive unterscheiden sich von den zuvor genannten Bedürfnis- und Triebzuständen dadurch, dass eine Situation mit motivbezogenen Anreizen erforderlich ist, um eine dem Motiv entsprechende Handlungsweise auszulösen. Dabei kann es sich um unterschiedliche Situationen handeln, die jedoch motivthematisch in dieselbe Richtung gehen. Aus Motiven entsteht dann Motivation für ein bestimmtes Verhalten, wenn die motiv-spezifischen situativen Anreize einer Situation die in der Person liegenden Strukturen anregen. Ein aktiver Motivationszustand entsteht also nur dann, wenn eine Passung von Motiv und Anreiz vorliegt. Der Organismus wird angeregt und die Aufmerksamkeit auf die anreizrelevanten Aspekte gelenkt. Mittlerweile werden in der Motivationspsychologie die drei Hauptmotivklassen Leistung, Macht und Beziehung unterschieden, da sich alle anderen Motive auf diese drei Grundformen abbilden lassen. Zudem wird noch das Bedürfnis nach freier Selbstentwicklung, auch Freiheitsmotiv genannt, als viertes Motiv genannt (McClelland 1965, 1987).

Obwohl alle vier Motive im Entrepreneurship-Kontext bedeutsam sein können[3], spielt das Leistungsmotiv (achievment motive oder need for achievement) in der akademischen Welt eine übergeordnete Rolle. Es wird als eine der wichtigsten Eigenschaften von Unternehmern angesehen und als Grundlage für unternehmerisches Handeln verstanden. In der allgemeinen Definition bezieht sich das Motiv zunächst nur auf die Qualität einer Tätigkeit und nicht auf die damit verbundenen Folgen. Der monetäre Anreiz bildet bei gründungswilligen Personen mit einer hohen Leistungsmotivation also nicht den primären Anreiz, sondern die damit verbundenen positiven Affekte, wie Stolz oder Spaß an der gelungenen Tätigkeit. Erforderlich für die Entwicklung von Leistungsmotivation in einer Handlungssituation ist die Erkennbarkeit von guten und schlechten Ergebnissen in Bezug auf die eigenen Handlungen. Ist dies für die Person nicht nachvollziehbar und können die Handlungsergebnisse nur auf Glück und Zufall zurückgeführt werden, fehlt der Anreiz eine Handlung vorzunehmen (McClelland 1965, 1987). Erweitert wird dies durch die erkenntnisbezogene Sichtweise der Kausalattributionstheorie, bei der nicht die Hoffnung auf Erfolg, bzw. Furcht vor Misserfolg die tragende Rolle spielt, wie es im Risikowahlmodell mittels affektiver Anreize postuliert wird. Die Kausalattributionstheorie untersucht in diesem Zusammenhang „auf welche Ursachen Menschen die Ereignisse zurückführen, die sie erleben und welche Auswirkungen das auf ihr emotionales Erleben und motiviertes Verhalten hat.“ (Kuhl 2010, S. 315). Die Ursachenzuschreibung in Leistungskontexten wird dabei in vier Grundtypen unterschieden, die auf einem zweidimensionalen Schema mit den Dimensionen Ort der Kontrolle (internal vs. external) und Stabilität (stabil vs. variabel) basieren. Die stärkste Leistungsmotivation ergibt sich, wenn die zukünftigen Erfolge auf internale und variable Ursachen zurückzuführen sind, es für die handelnde Person also möglich ist, durch Anstrengung, Übung und Vorbereitung den erfolgreichen Ausgang der Handlung herbeizuführen. Eine Erweiterung dieses Modells betrachtet erfolgsmotivierte und misserfolgsmotivierte Personen, die sich aufgrund ihrer Aufgabenwahl unterscheiden. Während Erfolgsmotivierte Aufgaben mit mittlerem Schwierigkeitsgrad bevorzugen, da diese eine valides Feedback über die eigenen Fähigkeiten liefern, tendieren Misserfolgsmotivierte eher zu entweder leichten oder sehr schweren Aufgaben. Bei leichten Aufgaben ist ein Misserfolg kaum zu erwarten und bei den sehr schweren Aufgaben kann ein Misserfolg mit rein externalen Faktoren begründet werden (McClelland 1965, 1987; Röpke 1977, S. 136ff). Damit verlieren aber Erfolge ihre motivierende Funktion und es ergibt sich eine negative Affektbilanz. Entscheidend für eine positive Selbststabilisierung ist also in diesem Zusammenhang die Aufgabenwahl, die immer berücksichtigen muss, dass eine erfolgreiche Verrichtung möglich und den eigenen Fähigkeiten zuschreibbar ist.[4]

2.2.            Volition

Die Ursprünge der Volitionstheorie gehen auf das Werk „Psychologie des Willens“ von Narziß Ach (1935) zurück. Volition (Wille) wird beschrieben als die Tendenz ungeachtet von Ablenkungen den Fokus und Anstrengungen auf ein Ziel gerichtet zu lassen oder auch als Fähigkeit eine beabsichtigte Handlung („dominierende Handlungstendenz“) trotz Widerstände und/oder konkurrierender Motivationstendenzen dennoch umzusetzen (Kuhl 1983, S. 187ff.; Heise 1998, S. 22ff.). Anders ausgedrückt kann darin die Ausdauer, die Beharrlichkeit, das Durchhaltevermögen oder die Persistenz bezüglich eines Ziels gesehen werden. Nicht nur die einmalige, dauerhafte Aufnahme einer Tätigkeit, sondern auch die wiederholte Aufnahme nach unterbrochener oder misslungener Tätigkeit zur langfristigen Verfolgung eines übergreifenden Ziels ist damit gemeint. Es kann in innere und äußere Widerstände unterschieden werden, wie bspw. Motivationsdefizit, Langeweile, mangelnde Kenntnisse oder äußere Beeinträchtigungen oder Ablenkungen. Wie eingangs schon erwähnt, stellt der Wille eines Unternehmers einen wichtigen Faktor für erfolgreiche Gründungen und Unternehmen dar. Wie dieser Wille entsteht und welche Probleme damit einhergehen können, wird in der Volitionsforschung auf der Basis von zwei unterschiedlichen, zusammenhängenden Konzepten erläutert werden. Das sequenzielle Konzept betrachtet eine Abfolge von Phasen mit unterschiedlichen Bewusstseinslagen welches auch „Rubikon-Modell der Handlungsphasen“ genannt wird. Das imperative Konzept hat die willentliche Handlungssteuerung zum Inhalt und beschreibt in der sog. „Handlungskontrolltheorie“ nach Kuhl (1983, 2010) die Durchsetzung und Abschirmung der dominierenden Handlungsabsicht.

Das Rubikon-Modell[5] nach Heckhausen und Gollwitzer (1987) unterteilt den Handlungsverlauf in die vier Phasen prädezisionale Motivationsphase, präaktionale Volitionsphase, aktionale Volitionsphase und postaktionale Motivationsphase (siehe dazu auch Heise 1998, S. 26ff.). Dieser idealtypische Verlauf hat seine Zäsur zum Zeitpunkt der Intentionsbildung zwischen den ersten beiden Phasen, wenn die realitätsorientierte Betrachtungsweise beim Wählen der Handlungsziele von der realisierungsorientierten Sichtweise bei der Umsetzung der Handlungsziele abgelöst wird. Die „Überschreitung des Rubikons“ erfolgt durch eine veränderte Bewusstseinslage und kognitive Orientierung, so dass vor allem Informationen aufgenommen werden, die der Realisierung dienlich sind. Dies führt bisweilen soweit, dass unpassende Informationen für die Zielerreichung nicht wahrgenommen werden, auch wenn sie für die Gesamtbewertung des Handlungsziels durchaus relevant sind. Für das Entrepreneurship-Thema bedeutet das, dass dadurch kognitive Verzerrungen im Denken und Urteilen begünstigt werden und zu existenzbedrohenden Entscheidungen führen können. Um sich vor diesen kognitiven Verzerrungen (bspw. confirmation bias, illusion of control oder overconfidence bias) zu schützen, ist es für Unternehmen oder Gründer erforderlich, sich der begrenzten Rationalität bewusst zu sein und sich mit möglichen Fehleinschätzungen im Sinne einer Lernabsicht zu konfrontieren (Bedenk/Mieg 2016, S. 39ff.; Siemon/von Wedel 2018, S. 36).

Bei der volitionalen Handlungssteuerung wird ebenfalls zwischen der Selektions- und Realisierungsmotivation unterschieden. Diese werden durch Strategien der Handlungskontrolle ergänzt, die ein zielgerichtetes Handeln ermöglichen. Dabei handelt es sich um Aufmerksamkeitskontrolle, Motivationskontrolle, Emotionskontrolle, Umweltkontrolle und die Sparsamkeit der Informationsverarbeitung (Kuhl 1983, S. 186ff.; Heise 1998, S 30). Diese Strategien werden vor allem von Personen mit Handlungsorientierung angewandt, um eine bessere Bewusstseinslage in Bezug auf die Realisierung der Handlungsausführung zu erlangen und somit unterstützend bei der Umsetzung wirken. Unternehmertypen, die im Volksmund auch als „Macher“ bezeichnet werden, können dann von dieser Bewusstseinslage profitieren und ihr Vorhaben zum Erfolg führen. Auch diese Sichtweise findet sich in Schumpeters (etwas pathetischen) Charakterisierung von Unternehmern wieder (siehe Kap. 3.1). Personen, die als lageorientiert eingestuft werden, gelingt es dagegen weniger gut, Absichten umzusetzen, ein notwendiges Aktivitätsniveau aufrecht zu erhalten oder Misserfolge schnell zu verarbeiten. Neben einer personalen Disposition beeinflussen auch Belastungselemente einer Situation wie Stress oder vorheriger Misserfolg die Ausprägung der Lage- oder Handlungsorientierung. Erweitert auf die Bildung von Absichten wurde festgestellt, dass lageorientierte Personen häufiger Erwartungen ihres Umfelds mit den eigenen Bedürfnissen verwechseln und deshalb die impliziten und expliziten Motivsysteme nicht übereinstimmen, so dass es zu negativen Auswirkungen auf die volitionale Handlungssteuerung und zu psychischen Belastungen der handelnden Person kommen kann.

2.3.            Resilienz

Resilienz wird als Widerstandsfähigkeit verstanden, welche einer Person es trotz erfolgsgefährdender Faktoren oder einer massiven Störung eines Gleichgewichts ermöglicht, ein angestrebtes Ziel zu erreichen oder sich positiv zu entwickeln. Man kann sie „psychologische Elastizität“ betrachten (di Bella 2014, S. 7). Resilienz entwickelt sich bei einer Person durch die Interaktion mit extrapersonalen Faktoren, so dass von einer Resilienz-Konstellation mit drei Elementen gesprochen wird. Neben den extrapersonalen Faktoren wirken dabei die interpersonalen Faktoren und die Stressoren auf die Person, so dass mittels eines adaptiven Prozesses eine Person Resilienz als Kapazität entwickelt, in dem eine Aktivierung von protektiven Ressourcen innerhalb und außerhalb des Individuums erfolgt (Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015, S. 9). Damit ein Prozess der Anpassung gestartet wird, bedarf es einer signifikanten Bedrohung. Erfolgt dann eine adaptive Anstrengung und führt diese zu einer positiven und effektiven Bewältigung der Bedrohung, wird von einem Ereignis gesprochen welches Resilienz erzeugt oder verstärkt. Erfolgt hingegen eine Anpassung ohne wirkliches (oder wahrgenommenes) Bedrohungsszenario wird lediglich von Kompetenz gesprochen.

Bei der personalen Resilienz interagieren Risiko- und Schutzfaktoren, die jeweils wiederum als personale und umweltbezogene Faktoren aufgeteilt werden. Verkürzt gesagt, entsteht (oder wirkt) Resilienz dann, wenn die Schutzfaktoren risikomindernd wirken und eine Adaption vollzogen werden kann (Fröhlich-Gildhoff/Rönnau-Böse 2015, S. 20ff.). Zu den personenbezogenen Risikofaktoren gehören die biologischen Risikofaktoren (Alter, Geschlecht, etc.), die psychischen und psychosozialen Risikofaktoren, wie bspw. Migrationsstatus oder geringes Bildungsniveau. Neben den umfeldbezogenen Risikofaktoren die hauptsächlich aus dem direkten sozialen Umfeld resultieren, sind noch die kritischen Lebensereignisse, wie Tod einer nahestehenden Person, Trennungen oder Krankheiten als wesentliche Risikofaktoren zu nennen. Dem stehen im interaktionalen Risiko-Schutzfaktorenmodell die personalen Schutzfaktoren gegenüber. Diese ermöglichen es der Person eine innere und äußere Kohärenz wiederherzustellen, was mit steigender Anzahl der Schutzfaktoren begünstigt wird. Auch hier lassen sich die Faktoren in personenbezogene und umfeldbezogene unterscheiden, ergänzt um die protektive Wirkung positiver Wendepunkte im Leben als Gegensatz zu den kritischen Lebensereignissen. Zu den personenbezogenen Faktoren zählen die biologischen Faktoren, wie stabiler Gesundheitszustand, kognitive Leistungsfähigkeit, Talente, etc., die durch die angeeigneten Resilienzfaktoren Eigenständigkeit, Sinnhaftigkeit, Ausgeglichenheit, Durchhaltevermögen und Authentizität ergänzt werden. Bei den genannten handelt es sich um die fünf Persönlichkeitseigenschaften, die gemäß dem persönlichkeitszentrierten Ansatz ausschlaggebend sind für die Ego-Resilienz. Weitere protektive Eigenschaften sind: Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung, Selbstwirksamkeitserwartung, soziale Kompetenzen, Umgang mit Stress und Problemlösungskompetenz. Bei den umfeldbezogenen Schutzfaktoren ist allgemein die Einbindung in das soziale Umfeld, wie Familie, Freunde, Bekannte bedeutend und besonders wichtig ist eine sichere, emotionale Bindung an eine oder mehrere Bezugspersonen. Positive Wendepunkte im Leben können bspw. berufliche Weiterentwicklungen oder die Geburt eines Kindes sein, die eine protektive Wirkung entfalten können.

Unternehmerische Resilienz wird als die Fähigkeit des Unternehmers bezeichnet, „trotz maßgeblich erfolgsgefährdender Umstände in der privaten und beruflichen Sphäre, einen nachhaltigen unternehmerischen Erfolg aufrecht zu erhalten oder gar zu steigern“ (di Bella 2014, S. 167f). Dazu wird eine grundsätzliche Unterteilung nach Individual-, Familien- und Organisationsresilienz vorgenommen (di Bella 2014, S. 8). Unternehmerische Resilienz wird als Subgruppe der personalen Resilienz gesehen, die gleichzeitig Elemente der organisationalen Resilienz beinhaltet, da die unternehmerische Tätigkeit im Kontext einer Organisation stattfindet und deshalb z.B. betriebliche Ergebnisgrößen wie Profitabilität oder Nachhaltigkeit relevant sind. Nachfolgend wird das Resilienzkonzept in das o.g. Rubikon-Modell integriert, um damit vereinfachend die aktionale und postaktionale Phase zu erfassen. Durch diese Modifikation soll der Prozess der Motivation (als dominierende Handlungstendenz), Volition (als konkretisierender Handlungswille) und Resilienz (als psychologische Elastizität) als evolutorischer Prozess mit eingelagerten Rückschleifen im Zeitablauf betrachtet werden, welche Verstärkerwirkungen („Flow“) begünstigen oder behindern können. Die dazu herangezogene Entrepreneurship-Sicht zielt auf einen evolutorischen Zusammenhang des Lernens ab, der seine Ursprünge in Schumpeters Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung hat.

3.      Ein evolutorischer Blickwinkel…

Die nachfolgenden Überlegungen greifen die in Kap. 2 erörterten Zusammenhänge unter dem Entrepreneurship-Aspekt auf und verorten sie in einem evolutorischen Kontext. Dabei wird einem etwas zugespitzten Begriffsverständnis von Joseph A. Schumpeter (1912) gefolgt, der dazu bekanntlich die Umsetzung einer Neukombination von gegebenen Produktionsfaktoren in den Mittelpunkt gerückt hat, um die Bedeutung dieses Innovationsvorgangs (oftmals im Gründungskontext) für die wirtschaftliche Entwicklungsdynamik herauszustellen. Auf dieser Basis wird das Rubikon-Modell in modifizierter Form angewendet, um unternehmerische Prozesse psychologisch auszuleuchten.

3.1.            Schumpeter, Entrepreneurship und Evolution

Bereits in seinem Frühwerk Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung (1912) hat Schumpeter bei der Charakterisierung des Entrepreneurs einige Aspekte der späteren Arbeiten von McClelland und dessen Nachfolgern vorweggenommen (Frambach 2018; Röpke 1977). Er zeichnet ein Unternehmerbild, in dem hedonistische Aspekte in den Hintergrund rücken. Dafür spielen Widerstandskräfte und Umsetzungsenergie eine große Rolle. So spricht Schumpeter von den „psychischen Widerständen, die ein jeder bei sich zu überwinden hat, wenn es Neues, Ungewohntes zu vollbringen gilt. Der Mann der Tat handelt auch auf wirtschaftlichem Gebiete außerhalb der gegebenen Bahn mit derselben Entschlossenheit und demselben Nachdruck wie innerhalb des erfahrungsgemäß Gegebenen. Die Tatsache, dass etwas noch nicht getan wurde, wird von ihm nicht als Gegengrund empfunden. Jene Hemmungen, die für die Wirtschaftssubjekte sonst feste Schranken ihres Verhaltens bilden, fühlt er nicht“ (Schumpeter 1912, S. 132; Hervorhebung der Verf.). Er erweitert dieses Bild um das Problem des Umgangs mit Widerständen aus der Umwelt des Entrepreneurs, die mit Innovationsprozessen im Zuge von Agency-Problemen oder Neuerungsskepsis einhergehen können. Demnach steht auch dem Unternehmer „der so schwer zu überwindende aktive und passive Widerstand der übrigen Wirtschaftssubjekte gegenüber. Nur daß er diesem Drucke nicht nachgibt, sondern gegen ihm ankämpft. Ja, man bleibt sogar im Kreise wohlbekannter Tatsachen, wenn man sagt, daß jene Widerstände eher einen Anreiz als eine Abschreckung darstellen“ (Schumpeter 1912, S. 132; Hervorhebung der Verf.). 

Während diese Ausführungen stark auf die Bedeutung der angesprochenen Themen Resilienz und Volition hindeuten, erinnern Schumpeters Hinweise zu den Handlungsmotiven stark an die angesprochenen Theorien zur intrinsischen Motivation, Leistungsmotivation oder Selbstwirksamkeit (Kap. 2). Erfolgszahlen, wie Gewinn, Cashflow etc., dienen demnach eher als Erfolgsindex, der die intrinsische Motivation, den Sprung vom latenten Leistungsmotiv in Leistungsmotivation in einer konkreten Handlungssituation und deren Beurteilung bezüglich Herausforderungsgrad und Beeinflussbarkeit widerspiegelt.

„Freude am Erfolghaben“ und „Freude am Siege über andere“, argumentiert Schumpeter im Hinblick auf das Motiv der sozialen Machtstellung, führen dazu, „daß man die Güter, die man erwirbt, vornehmlich als Indices seines Erfolges schätzt, als äußeres Zeichen errungener Siege“ (Schumpeter 1912, S. 138). Im Hinblick auf die Freude am schöpferischen Gestalten sieht er eine Analogie zwischen der kreativen Sphäre von Künstlern und Denkern zum einen und unternehmerischen Aktionen im Wirtschaftsleben zum anderen. „Auch hier kann man Schaffen um der Freude an dem Geschaffenen willen, auch hier kann man jene Lust empfinden, die man vorzugsweise dem künstlerischen Schaffen zuzuschreiben pflegt“ (Schumpeter 1912, S. 142). An dieses intrinsische Motiv, wie man heute sagen würde, knüpft er die Notwendigkeit der Bestätigung: „Das Erreichen selbst gesetzter Ziele und das Ins-Auge-fassen neuer gehört ja in viel höherm Maße zu einem gesunden psychischen Leben kräftiger Naturen als einfaches Genußstreben. (…) Schwache kämpfen sich mühsam durch die Erledigung der hergebrachten und widerkehrenden Aufgaben durch. Der Starke behält dabei einen Kraftüberschuß – er wird ändern und wagen um des Änderns und Wagens willen, immer neue Pläne durchführen und dann an immer weitere herantreten“ (Schumpeter 1912, S. 145).

Abgesehen davon, dass man aus den vorangegangenen Ausführungen die geistige Nähe zu den psychologischen Forschungen im Entrepreneurship-Kontext erkennen kann,  dient dieses auf Gründungsbelange zugespitzte Entrepreneurship-Verständnis von Schumpeter oftmals auch als Anknüpfungspunkt für die sog. Evolutorische Ökonomik (Röpke 1977; Witt 1987; Kerber 1997). Bei der Betrachtung evolutorischer Vorgänge werden Entwicklungsvorgänge als Änderungs- und Anpassungsvorgänge im Zuge einer sich im Zeitablauf stets verändernden Unternehmensumwelt begriffen. Es geht dabei um den Prozess der Wissensgenerierung in einer komplexen Umwelt im Zuge von Hypothesen, die Unternehmen im Marktsystem austesten, als dann wiederum für weitere Entscheidungen maßgebliche Bezugsgröße. Der Wettbewerb fungiert dabei als Entdeckungsverfahren (von Hayek) bzw. als Hypothesentest und lehnt damit an der evolutionären Erkenntnistheorie von Popper sowie (als Analogie zur Biologie) am bekannten Schema VariationSelektionRetention an. Über falsifizierte und vorläufig nicht falsifizierte Hypothesen weitet sich der Wissensstock aus (Kerber 1997).[6]

Es geht dabei aber neben dieser evidenzbasierten Entwicklung von Geschäftsmodellen auch um die Selbstentfaltung von Unternehmer- bzw. Unternehmenssystemen in einem durch Dynamik und Komplexität gekennzeichneten Umweltsystem. Die Erweiterung des eigenen Systems erlaubt dabei jene Kompetenzen und psychischen Möglichkeiten zu generieren, welche helfen die Umwelt als beeinflussbar und nicht als deterministisch wahrzunehmen. Damit verbunden ist die Fähigkeit in einem komplexen System durch Wandelbarkeit und/oder Anpassung mal mehr und mal weniger erfolgreich zu überleben. Nur (Eigen-)Komplexität kann Komplexität beherrschen, so lautet das diesem Zusammenhang zugrundeliegende Ashby-Gesetz. Im Entrepreneurship-Kontext wird dabei oftmals untersucht, inwiefern sich innerhalb bestimmter Handlungsrechte (Rahmenbedingungen, Gesetze,  Normen) unternehmerische Kompetenzen und Motivation entfalten (Röpke 1977; Witt 1987) und inwiefern auf solche evolutorischen Prozesse Einfluss genommen werden kann (Entrepreneurship Education), um Wertschöpfungspotenziale in Form von Routine-, Arbitrage- oder Innovationsakten zu erschließen (Röpke 2002, Siemon 2009). Dabei scheint es zwischen der Kompetenzentfaltung und einer begünstigenden psychischen Disposition einen engen Zusammenhang zu geben, wie auch McClelland (1965, 1987) einst immer wieder herausstellte. Die Wahrnehmung des optimal wirkenden, mittleren Herausforderungsgrades bei der Beurteilung einer Handlungssituation (Investoren überzeugen, Filiale aufbauen etc.) hängt stark vom zugrunde liegenden Kompetenzniveau ab. Ebenso kann eine mutige und engagierte Inangriffnahme einer Herausforderung ohne entsprechendes Kompetenzniveau ins Leere laufen und damit eher Frustration als Resilienz fördern. Was bedeutet dies im Einzelnen?

3.2.            Motivation, Volition und Resilienz aus evolutorischer Sicht

Dass fachübergreifende Kompetenzen zur angesprochenen Systementfaltung im Entrepreneurship-Kontext dafür maßgeblich sind, die Lücke von Wissen und Tun zu überwinden, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Die Entwicklung solcher evolutorischer Kompetenzen lässt sich bspw. über das Lernebenen-Modell von Röpke (2002) abbilden. Unternehmer(teams) lernen demnach auf vier – in der Realität wohl eher chaotisch – verknüpften Lernebenen:

  • Lernen 0: Anwendungskompetenz (Learning by Doing, Optimierung, Routine etc.);
  • Lernen 1: Fachkompetenz (Aufnahme von Fachwissen: BWL, Jura etc.);
  • Lernen 2: Umsetzungskompetenz (Kommunikation, Zeitmanagement etc.);
  • Lernen 3: Reflexionskompetenz (Bewusstsein für Visionen, Stärken, Schwächen etc.).

Die Lernebenen 2 und 3 stellen das sog. evolutorische Lernen dar, das im Rubikon-Modell der prädezisonalen und -aktionalen Phase entspricht. Umsetzungskompetenz (Lernen 2) setzt eine wünschenswerte Richtung voraus (Lernen 3). Damit gehen auch die psychologischen Aspekte Motivation, Volition und Resilienz einher. Die evolutorischen Lernebenen stellen gewissermaßen die Intentionsbildung, den Rubikon, dar, um die Handlungsabsicht (Innovation, Gründung) zu realisieren (Fachwissen und Umsetzungskompetenz aneignen und anwenden). Während Lernen 3 in besonderem Maße die Motivation – bspw. im Sinne von McClelland – als dominierende Handlungsabsicht anspricht, rückt die Volition die Rolle des Handlungswillens bei der Entfaltung von Umsetzungskompetenzen (Lernen 2) in den Vordergrund. Mut, Disziplin und Handlungskontrolle sind somit bedeutsam, um die „richtigen Dinge“ (Lernen 3) wirklich zu tun und jene Energien bei der Akquise von Fachwissen und dessen Anwendung einzusetzen (Lernen 1 und 0), also den Rubikon zu überschreiten (siehe Abb. 1). In der aktionalen und postaktionalen Phase spielen dann jene Aspekte eine Rolle, die damit zu tun haben, die „Dinge richtig zu tun“, also implizites Wissen aufzubauen.[7]

Die nachfolgende Abbildung 1 illustriert die evolutorische Interpretation des Zusammenspiels der Kompetenzentfaltung auf verschiedenen Lernebenen im Zusammenspiel mit dem Rubikon-Modell, bei dem die psychische Dimension des unternehmerischen Wirkens zum einen über die Entfaltung des Wissensstocks auf den traditionellen Ebenen des Lernens (Falsifikation bzw. vorläufige Nicht-Falsifikation und Erwerb von Fachqualifikation) und zum anderen über den Feedback-Loop der psychologischen Elastizität des Individuums oder der Organisation angesprochen werden.

Abb. 1: Lernebenen, Kompetenzentfaltung und Rubikon-Modell

Viele Gründungsvorhaben geben in den ersten 3-5 Jahren überwiegend unfreiwillig auf und von Seiten der Wissenschaft und Politik wird eine stärkere „Gründungskultur des Scheiterns“ postuliert (Siemon/von Wedel 2018). In der postaktionalen Phase bestimmt die Resilienzfähigkeit der Individuen bzw. Organisation also den Umgang mit falsifizierten und vorläufig nicht falsifizierten Hypothesen. Liquiditätsprobleme, fehlende marktliche Akzeptanz, ein unausgegorenes Team-Play und andere Formen des Scheiterns können eine psychische Belastung für jeden Entrepreneur bzw. jedes Unternehmerteam darstellen. Ferner werden viele Geschäftsideen kaum modelliert, geschweige denn umgesetzt, da viele im Ideenstadium verharren, Gewinner-Ideen aus Business Plan-Wettbewerben im Sande verlaufen und insbesondere akademisches Wissen, teilweise eingelagert in angemeldeten Patenten, keinen Weg in das Wirtschaftssystem finden (Siemon 2009). Viele Vorhaben werden schon bei den ersten Widerständen, wie bspw. ein erfolgloses Bankgespräch, ein verhaltenes Kundenfeedback etc., eingestellt  Gleichzeitig können erste Erfolge, Gewinne usw. als Erfolgsindex die Motivation und Volition bestärken und einen Prozess begünstigen, den Csikszentmihalyi (1991) als „Flow“ bezeichnet.[8] Ob und inwiefern diese Mechanismen durch methodisches Einwirken von Externen beeinflusst werden kann, ist unklar.

In jüngerer Zeit ist das Volitionskonzept etwas konkreter auf den Anwendungsbereich Entrepreneurship übertragen worden. Die Studie von Hikkerova et. al. (2016) zielt bspw. darauf ab, die Bedeutung der Volition für das Themengebiet Entrepreneurship quantitativ zu beschreiben und herauszufinden, welche psychischen Mechanismen auf dem Weg zum Unternehmertum wirken.[9] Die Studie lässt erkennen, dass aktive und passive Unternehmer, sowie Studenten mit unternehmerischen Ambitionen und Intentionen sich durch ihre volitionalen Dispositionen signifikant von den übrigen Studenten unterscheiden. Hikkerova et. al.  vermuten, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass volitionale Charakterzüge bis zu einem bestimmten Grad erlernbar sind, jedoch hauptsächlich als Ausprägungen eines speziellen im Kern stabilen Charakters. Im Entrepreneurship-Kontext ließen sich als Trainingsansatz für die Volition Methoden anführen, welche die Fokussierung auf Aufgabeninhalte und die Rückbesinnung auf die dahinter stehenden Handlungsabsichten stärken. Bekannt sind bspw. Ansätze aus dem Bereich des Zeitmanagements (Eisenhower-Methode, Pareto-Prinzip o.Ä.), die der Lernebene 2 zugeordnet werden können (Otter/Siemon 2016, S. 187ff.; Siemon 2010). Darüber hinaus existieren unmittelbar auf die Volitionstheorie beruhende Interventionsprogramme (Kuhl/Strehlau 2014; Priemuth 2002).[10]

Etwas anders steht es um das Resilienzkonzeptes und dessen Bedeutung für unternehmerische Belange. Die vielerorts aufkeimenden Fuckup- und Failure-Nights plädieren zwar für ein Erfordernis dieser psychologischen Elastizität auf individueller und organisationaler Basis, wenngleich die damit verbundenen Lerneffekte und Trainingsmetoden wenig strukturiert erscheinen (Siemon/von Wedel 2018S. 37f.). Welche Bedeutung hat die Resilienz im Alltag von Schumpeter-Unternehmern? Ist sie lernbar und messbar? Lässt sie sich auf Team-Leistungen übertragen?

Für die Gründungsphase ist die Bedeutung von Resilienz somit unmittelbar ersichtlich, da ein Start-up anfangs zumeist über geringe Ressourcen verfügt. Die geringe Kapitalausstattung wird hier neben der Verfügbarkeit von Fachkräften als wesentliche Herausforderungen angesehen, da ein finanzielles Polster notwendig ist, um eventuelle Liquiditätsengpässe wegen temporär niedriger Eigenfinanzierungskraft oder fehlender und/oder verspätet eintretender Umsätze auszugleichen. Umgekehrt kann man auch die These aufstellen, dass eine zu frühe und zu hohe Finanzierung, bspw. durch Venture Capital Gesellschaften, die Chance auf die Herausbildung resilienter Eigenschaften für die Organisation und die Gründer verringert. Die extrapersonalen Faktoren sind im unternehmerischen Umfeld zudem besonders ausgeprägt, da Gründungsunternehmer hoher Unsicherheit, hohem Zeitdruck, hoher Arbeitsbelastung und somit einer emotionalen Belastung und Stress ausgesetzt sind. Zudem müssen sie eine hohe Menge an komplexen Informationen zu unterschiedlichen Themen verarbeiten, um Entscheidungen mit großer Tragweite zu treffen, die womöglich auch existenzgefährdend sein können (Bernard/Barbosa 2016). Resilienz kann somit im Entrepreneurship-Kontext als ein Bündel von Eigenschaften und Ressourcen angesehen werden, welches einem Unternehmer dabei hilft Fehlschläge zu überstehen und gestärkt aus ihnen hervorzugehen (Hedner et al. 2011). Grundsätzlich kann das Vorhandensein von Resilienz jedoch erst ex-post beurteilt werden, da sich erst nach dem Durchlaufen einer Krise herausstellt, ob ein Individuum oder eine Organisation Resilienz aufweist oder nicht (di Bella, 2014, S. 8).

Es scheint gewisse endogene und exogene Faktoren zu geben, welche die Resilienzbildung entweder vor dem Eintreten oder während einer Krise begünstigen (Hedner et al. 2011). Im Falle des Entrepreneurs sind demnach exogene (beeinflussbare) Faktoren z.B. der finanzielle Rückhalt, sowie das soziale Umfeld des Individuums. Endogene (individuell nicht beeinflussbare) Einflussfaktoren sind offensichtlich die Charakterzüge und die Persönlichkeit des Entrepreneurs. Sie lassen sich lediglich beim Durchleben einer Krise beeinflussen bzw. stärken. Um diese Widerstandskraft zu bilden müssen Fehlschläge aktional in Kauf genommen und postaktional verarbeiten werden. Die Einstellung der Gesellschaft gegenüber unternehmerischen Fehlschlägen gilt als weiterer Faktor, der durch den Unternehmer nicht beeinflusst werden kann. 

Der grundsätzlichen Unterteilung nach Individual-, Familien- und Organisationsresilienz folgend (di Bella 2014, S. 8), können Unternehmen ebenfalls mit biologischen Organismen verglichen werden, deren Überleben bzw. Weiterbestehen durch Individual- oder Organisations- bzw. Unternehmens-Resilienz garantiert wird. Es ist interessant, dass in jüngster Zeit zunehmend Versuche unternommen wurden, das Resilienzkonzept durch eine quantitative Erfassung zu konkretisieren. Die Internationale Organisation für Standardisierung ISO hat aus der Vielzahl von Betrachtungsebenen, Aspekten und Handlungsempfehlungen erste Ansätze zur quantitativen Erfassung erarbeitet. Zum Vorschein kam dabei, dass die Unternehmenskultur und dabei insbesondere eine in das gemeinsame Wertesystem integrierte Fehlertoleranz eine besondere Bedeutung – zumindest in der Wahrnehmung der befragten Akteure – zu haben scheinen (Heller et al., 2018). Will man als Gründungsteam also seine Mitarbeiter zu einer mitunternehmerischen Denk- und Handlungsweise animieren, sollte das gelebte Wertesystem einen konstruktiven Umgang mit Fehlern und Krisen enthalten (Kommunikation und Dokumentation

4.      Schlussbemerkungen

Die Suche nach einem Energiemodell, das hilft zu beschreiben und zu erklären, wie unternehmerisches Können und Wollen in einem bestimmten Handlungsrahmen wirken und entwickeln, ist nach wie vor ein Evergreen in der Entrepreneurship-Forschung und in der Entwicklungstheorie.[11] Im Anschluss an die Arbeiten zur Leistungsmotivationstheorie von McClelland hat Miner (1996) bspw. festgestellt, dass sehr unterschiedliche Unternehmer-Typen einen erfolgreichen unternehmerischen Weg begründen können und ein Zusammenspiel von Ideenexperten, Manager-Typen, Leistungsmotivierten und Superverkäufern – verkörpert in einer oder mehreren Personen in einem Team – sich dabei als empirisch besonders erfolgreich erwiesen hat. Es existieren dabei aber auch sehr unterschiedliche Meinungen darüber, was im Entrepreneurship-Kontext konkret als Erfolg (Gewinn, Wachstumsraten, Überlebensdauer etc.) oder als Scheitern (Fehler, Krisen, Insolvenz etc.) zu werten ist (Siemon/von Wedel 2018).

Unterstellt man die Wirksamkeit von Motivation und Volition als Zusammenspiel von Handlungsabsicht und –wille sowie die Wirksamkeit von adaptiven und schöpferischen Prozessen im Rahmen von Resilienz auf zukünftige Aktivitäten von Schumpeter-Unternehmern, so kann man davon ausgehen, dass erfolgreich bewältigte Schwierigkeiten im Gründungsgeschehen sich positiv auf zukünftige Gründungen auswirken. Dies bestätigt die Annahme in der Entrepreneurship-Forschung, dass sogenannte Serial-Entrepreneurs höhere Erfolgsaussichten bei Gründungsvorhaben haben als Gründer, die zum ersten Mal ein Unternehmen gründen (Parker 2013). Ebenso kann eine ausgeprägte Resilienz die erhöhte Risikobereitschaft eines Gründers oder einer Unternehmerpersönlichkeit erklären, da die Erfahrung von erfolgreich bewältigten Widerständen Zuversicht für zukünftige, unsichere Situationen liefert und somit das Risikopotential als weniger bedrohlich angesehen wird.

Literatur

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[1] Cord Siemon ist Professor für ABWL, insbesondere Entrepreneurship, an der Frankfurt University of Applied Sciences. Daniel von Wedel (MBA) ist Lehrbeauftragter im MBA „Entrepreneurship & Business Development“, Mitglied im Institut für Entrepreneurship (IFE) an der Frankfurt University of Applied Sciences und zugleich aktiver Business Angel im Business Angel-Netzwerk Frankfurt/Rhein-Main.

[2] Daneben existieren viele Prozesstheorien, wie bspw. das Rückkopplungsmodell von Porter und Lawler.

[3] Schumpeter (1911) hat bspw. sowohl das o.g. Leistungsmotiv als auch das Machtmotiv bei der Darstellung schöpferisch-unternehmerischer Initiativkraft intuitiv als bedeutsame Energiequellen für wirtschaftliche Entwicklungsdynamik hervorgehoben (siehe Kap. 3.1).

[4] Dies hat besondere Bedeutung für Gründer und Innovatoren in der frühen Phase der Unternehmensentwicklung, da hier sehr komplexe Aufgaben definiert werden, um bspw. über einen längeren Zeitraum ein Produkt zu entwickeln oder einen Markt vertrieblich zu erschließen. Hier ist es demnach erforderlich diese Aufgabenkomplexe in Teil-Aufgaben (milestones) zu untergliedern, die eine erfolgreiche Verrichtung ermöglichen und die Leistungsmotivation dauerhaft fördern (Röpke 1977, S. 117ff.).

[5] Der Rubikon ist ein Fluss, der in die Adria mündet und wegen seiner historischen Bedeutung oft als Metapher verwendet wird. Mit der bewaffneten Überquerung des Flusses in Richtung Rom war sich Caesar einst darüber im Klaren, dass es ab diesem Punkt kein Zurück mehr gab, weil dies einer Kriegserklärung gegenüber dem römischen Senat gleichkam. Er brachte dies mit seinen berühmten Worten „alea iacta est“ zum Ausdruck.

[6] Diese Sichtweise korrespondiert mit der modernen Lean-Start-up Auffassung von Ries oder Maurya. In eine ähnliche Richtung geht der entscheidungstheoretische „Effectuation vs. Causation“-Ansatz von Sarsvathy. Siehe dazu Siemon/von Wedel (2018, S. 38f.).

[7] Die Ausführungen lehnen an Peter Druckers bekannte Dichtomie im strategischen Management an: „Doing the things right vs. Doing the right things“. In der BWL sind diese Kompetenzen im Rahmen des ressourcenbasierten Ansatzes auch als „Dynamic Capabilities“ bekannt (Teece et al. 1997).

[8] Geld dient in diesem systemischen Zusammenhang als ein Kommunikationsmedium, Zahlungen und Nicht-Zahlungen als Reflexionswert (Luhmann 1999).

[9] Einschränkend sei darauf hingewiesen, dass der Untersuchung kein Schumpetersches Verständnis im Sinne einer starken Innovationsorientierung zugrunde gelegt, sondern eher die Neigung zur Existenzgründung.

[10] Neben eher metaphysischen Herangehensweisen (Zen-Meditation, Wuwei-Prinzipien o.Ä.) existieren zudem im Bereich der Disziplin-Forschung Methoden zur Unterstützung von Mut und Ausdauer (bspw. „mentale Simulation“ im Sportbereich) sowie zur Affektregulation und zur Vermeidung von Prokrastination.

[11] Harvey Leibenstein hat bspw. darauf hingewiesen, dass psychologische Aspekte zu den Faktoren gehören, die das X seiner X-Ineffizienz-Theorie ausmachen. Demnach können Entrepreneure bestehende Produktionspotenziale aus motivationalen Defiziten, organisationalen Friktionen etc. heraus nicht optimal ausnutzen (Leibenstein 1979).